Kein Testament: und wer erbt jetzt?

Das Erbrecht beschäftigt sich klassisch mit der Frage, wer im Todesfall des Erblassers einen Anteil des Nachlasses erbt. Im Idealfall regelt ein Testament die Erbfolge. Gibt es jedoch weder ein Testament noch einen Erbvertrag, dann greift die gesetzliche Erbfolge. Das gesetzliche Erbrecht ist allerdings umfangreicher geregelt als oft angenommen wird. Viele Ehepaare sind der Meinung, dass sie nach dem Tode des anderen das alleinige Erbrecht besitzen, gerade wenn keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind – falsch gedacht!  

 

Geerbt wird in Ordnungen 

Die Erbfolge bestimmt sich nach den strengen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (kurz: BGB) und folgt den Generationen ganz nach dem Motto „Das Gut rinnt wie das Blut“. Die Abkömmlinge, also Kinder, Kindeskinder, usw. werden hierbei als natürliche Erben angesehen. Generell sind alle Blutsverwandten erbberechtigt, jedoch müssen hierbei zwei entscheidende Aspekte berücksichtigt werden:  

  1. Welcher Ordnung gehört der jeweilige Verwandte an?  
  2. Gibt es nähere Verwandte, die in der Erbfolge priorisiert werden müssen? 

Das folgende Schaubild stellt vereinfacht die gesetzlichen Erbordnungen dar.  

Falls der Erblasser Kinder hat, dann sind diese in der 1. Ordnung erbberechtigt. Sollte ein Kind bereits verstorben sein, dann rücken an dessen Stelle die Kindeskinder, also die Enkel des Erblassers. Somit könnten z.B. auch ein Kind und zwei Enkel als Erben in Frage kommen. Erst wenn in der 1. Ordnung keine Erben mehr vorhanden sind, wird die 2. Ordnung relevant. Zuerst erben die Eltern des Erblassers und, wenn diese bereits verstorben sind, die Geschwister des Verstorbenen. Falls auch in der 2. Ordnung kein erbberechtigter Verwandter ermittelt werden kann, so wird die 3. Ordnung herangezogen.   

Der Ehegatte des Erblassers gehört keiner erbrechtlichen Ordnung an und erbt daher im gesetzlichen Erbrecht immer – egal, ob ein Testament vorhanden ist oder nicht! Dies bedeutet, dass der Ehegatte und die erbberechtigten Verwandten eine sogenannte Erbengemeinschaft bilden.  

 

Güterstand bestimmt Höhe des Erbes 

Nun zum interessanten Teil der gesetzlichen Erbfolge: wer erbt wieviel? Die Höhe des Erbanteils ist maßgeblich vom vereinbarten Güterstand der Eheleute abhängig. Das Gesetz unterscheidet hier zwischen drei Güterständen: Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung und Gütergemeinschaft. Falls kein anderer Güterstand im Ehevertrag vereinbart wurde, ist ein Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. 

 

1. Zugewinngemeinschaft 

Hier ist entscheidend, in welcher Ordnung die weiteren Erben anzusiedeln sind. Neben Verwandten der 1. Ordnung, steht dem hinterbliebenen Ehegatten ein ¼ des gesamten Nachlasses zu; neben der 2. Ordnung sogar die Hälfte des Vermögens.

Durch den Zugewinnausgleich wird sichergestellt, dass der Zugewinn des verstorbenen Erblassers auch nach dessen Tod dem hinterbliebenen Ehegatten zugutekommt. Um möglichen Erben die oftmals komplizierte und langwierige Ausgleichsrechnung zu ersparen, hat der Gesetzgeber für den Ehegatten eine pauschale Erhöhung des Erbteils um ¼ festgelegt. 

Beispiel: 
Der Ehemann stirbt und hinterlässt zwei Kinder A und B, von denen Kind A bereits verstorben ist. Kind A hat ebenfalls zwei Kinder C und D, also Enkel des Erblassers. 
Die Ehefrau erbt laut gesetzlicher Erbfolge ¼ des Nachlasses zzgl. ¼ dank des Zugewinnausgleichs, erhält demnach insgesamt die Hälfte des gesamten Nachlasses. Die weiteren 50% des Vermögens werden auf Kind B und die Enkel C und D wie folgt aufgeteilt: Kind B erbt ¼, die Enkel C und D teilen sich das Viertel ihres verstorbenen Elternteils – von ihnen erhält also jeder 1/8 vom Nachlass.

 

 2. Gütertrennung 

Im Güterstand der Gütertrennung verhindert der Gesetzgeber durch klare Regeln, dass der Ehepartner am Ende weniger Erbe erhält als dessen Abkömmlinge. Die folgende Tabelle stellt vereinfacht die Erbanteile der gesetzlichen Erbfolge dar.   

 

Neben 1 Kind 

Neben 2 Kindern

Neben mehr als
2 Kindern 

Neben Erben außerhalb
der 1. Ordnung 

Anteil des Ehepartners am Nachlass 

1/2 

1/3 

1/4 

1/2 



3. Gütergemeinschaft 

In einer Gütergemeinschaft gehört das gesamte Vermögen den Eheleuten gemeinsam. Der Nachlass des verstorbenen Ehepartners umfasst daher genau die Hälfte des Gesamtguts. Sollten Verwandte der 1. Ordnung vorhanden sein, so erbt der überlebende Ehegatte ein ¼ des Nachlasses. Bei Verwandten der 2. oder einer höheren Ordnung stehen dem Ehepartner sogar 50% an der Erbschaft zu. Wie auch in den vorangegangenen Güterständen ist bei der Gütergemeinschaft die Ordnung der erbrechtlichen Verwandten ausschlaggebend, um Erbfolge und Erbanteile bestimmen zu können.   

Unabhängig von der Konstellation und dem Güterstand wird der restliche Erbteil auf die ermittelten erbrechtlichen Verwandten aufgeteilt. Sie sehen also, dass die gesetzliche Erbfolge keinesfalls ein leichtes Spiel ist. Es müssen sowohl die Erbordnungen als auch der Güterstand der Eheleute berücksichtigt werden. Besonders der Güterstand entscheidet maßgeblich über den Erbanteil des hinterbliebenen Ehegatten. Dass ein Ehegatte oder eine Ehegattin seinen/ ihren verstorbenen Partner allein beerbt, ist daher nahezu ausgeschlossen.  

 

Gesetzliche Erbfolge verstehen und Erbe planen

Die Auswirkungen der gesetzlichen Erbfolge auf das Erbe von Eltern, Geschwistern und Kindern sollte frühzeitig berücksichtigt und kann durch ein Testament aktiv beeinflusst werden. Dabei ist es nie zu früh (oder zu spät!), um sich mit der eigenen Nachfolgeplanung auseinanderzusetzen – damit der Nachlass geregelt ist, Streitigkeiten im Todesfall vermieden werden und der Ehepartner oder die Ehepartnerin nach Ihrem Tode finanziell abgesichert sind.

Fachanwältin für Erbrecht Elke Kestler steht Ihnen mit ihrer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Nachfolgeplanung mit Rat und Tat gerne zur Seite. Kontaktieren Sie uns, damit wir gemeinsam Ihr Testament in Angriff nehmen können.

 


Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass das Easy Erbrecht Infoportal und dessen Inhalte ausschließlich von Frauen produziert wird.